Tönnies wirft seine Schatten über den gesamten Kreis

Erschreckend hohe Infektionszahlen beim Rhedaer Schlachtbetrieb sorgen für erneuten Lockdown

Kreis Gütersloh (mad). Es ist ein Corona-Ausbruch nicht gekannten Ausmaßes. Am Nachmittag des 17. Juni überschlugen sich im Kreis Gütersloh die Ereignisse: Die Mitarbeiter aus dem Zerlegebetrieb von Tönnies waren getestet worden und das Ergebnis war erschreckend: Denn schon von den ersten 500 der insgesamt 1.050 Proben waren 400 positiv. Sofort tagte der Krisenstab des Kreises Gütersloh, der Schlachtbetrieb Tönnies wurde sofort geschlossen. Schon am selben Abend meldete der Kreis Gütersloh neue Zahlen: 657 aus 983 Proben waren positiv.

Landrat Sven Georg Adenauer kam umgehend von seinem Auswärtstermin zurück, als ihn die Nachricht erreichte. „Ich habe die sofortige Schließung des Schlachtbetriebes verfügt. Die infizierten Personen sowie die Kontaktpersonen sind in Quarantäne. Es erfolgt ein zweiter Testdurchlauf“, sagte Adenauer. „Es ist ernst“, sagte Krisenstabsleiter Thomas Kuhlbusch über den Hotspot im Bereich der Unternehmensgruppe Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. Bei der Pressekonferenz noch am selben Tag zeigte sich André Vielstädte, Leiter der Unternehmenskommunikation der Firma Tönnies, betroffen. „Wir können uns für diese Situation nur entschuldigen, auch im Namen der Familie Tönnies und des Unternehmens. Wir werden alles tun, um das Virus aus dem Betrieb zu bekommen“, sagte er und betonte, dass der Konzern Tönnies in der ganzen Zeit über alle Maßnahmen in enger Abstimmung mit der Behörde vollzogen habe. „Wir kämpfen seit Anfang Februar wie die Löwen, um das Virus fernzuhalten, doch wir konnten das Risiko nicht auf Null setzen. Die jetzige Schließung ist schmerzlich, auch für die Landwirte und die Verbraucher“, ergänzte Gereon Schulze Althoff, Leiter des Pandemiestabs bei Tönnies. Doch warum kam der Ausbruch mit den rasant gestiegenen Zahlen jetzt so plötzlich? Immerhin war es nach Schulze Althoffs Aussage 10 Wochen lang gelungen, mit den abgesprochenen Maßnahmen und der Disziplin der Mitarbeiter dafür zu sorgen, die Infektionszahlen im Hause Tönnies unauffällig gering zu halten. Erst am Vortag habe es ein Gespräch zur Abstimmung weiterer Maßnahmen innerhalb des Betriebes gegeben und der Personaleinsatz wurde signifikant reduziert. Gereon Schulze Althoff sieht jedoch einen Gefahrenfaktor außerhalb des Betriebes: „Doch die gelockerte Reisefreiheit brachte neue Risiken“, sagte er. Zwar habe es zusätzliche Testungen von Urlaubsrückkehrern gegeben, die im Osten meist ihre Familien besucht haben, doch eine Erkenntnis sei gewachsen in den vergangenen Tagen: „Gekühlte Räume verstärken den Übertragungseffekt“, so Schulze Althoff. 

Im Unternehmen selbst und bei Hausärzten fielen in den vergangenen Tagen mehr und mehr Infektionen auf, so dass der Kreis kurzfristig alle Personen testen ließ, die im Bereich Zerlegung und in der Kantine der Firma Tönnies beschäftigt waren. Die Produktion in den weiteren Betrieben auf dem Unternehmensgelände wurde schnell sukzessive zurückgefahren. Hintergrund: Das Fleisch der Tiere, die bis zur Schließung des Schlachtbetriebes noch getötet worden sind, musste noch verarbeitet werden können. Tönnies hatte 7.000 seiner Mitarbeiter umgehend in Quarantäne geschickt.  Mit den aktuellen Zahlen hat der Kreis Gütersloh die kritische Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen bei weitem überschritten. Um einen totalen Shutdown zu vermeiden, entschied sich der Kreis Gütersloh zunächst, nur die Schulen und Kitas wieder zu schließen. Eine Maßnahme, die auf viel Unverständnis stieß. Am Tag nach der Hiobsbotschaft versammelten sich einige Eltern vor dem Werksgelände in Rheda-Wiedenbrück, um ihrem Ärger Luft zu machen. „Warum müssen unsere Kinder das ausbaden, was hier versäumt wurde?“, fragt Magdalena Sawatzky. Die 37-Jährige  ist Mutter von zwei Kindern und weiß aus eigener Erfahrung: „Das sie jetzt wieder ihre Freunde nicht sehen können, verstehen die Kleinen einfach noch nicht“, so die Varensellerin. Auch Dorothee Verhülsdonk aus Gütersloh zeigte ihr Unverständnis: „Es kann doch nicht sein, dass die Kinder und deren Familien die Leidtragenden sind“, so die 41-Jährige. „Es ist eine enorme Belastung für die Eltern und besonders den kleinen Kindern ist kaum zu vermitteln, warum sie jetzt nachdem es gerade erst wieder losging mit Kita und Schulen, wieder Zuhause bleiben müssen.

Mittlerweile ist die Zahl der positiv getesteten Personen auf über 2.000 gestiegen. Über 100 Personen davon stehen in keinem direkten Zusammenhang mit Tönnies.

Die Schließung der Schulen und Kitas sollte schlimmeres verhindern: „Einen allgemeinen Lockdown im Kreis Gütersloh wird es nicht geben“ hieß es noch auf der Pressekonferenz aus dem Mund von Landrat Sven-Georg Adenauer. Doch genau dieser folgte knapp eine Woche später und geht nun sogar noch in die Verlängerung bis zum 7. Juli. Das ist so ziemlich das schlimmste, was der Region passieren konnte, denn es warf die Bürger des Kreises Gütersloh zurück auf den Stand von Mitte März, nachdem sie alle schon bereits drei Monate strenge Reglementierungen erduldet hatten.

 

Sechs Testzentren im Kreis

Gütersloh. Um allen Bürgern die Gelegenheit zu geben, sich kostenfrei auf Corona testen zu lassen, sind im Kreis Gütersloh weitere Testzentren eingerichtet worden. Unterstützt wird der Kreis von der Bundeswehr und den Hilfsorganisationen. Mitzubringen sind Personalausweis und die Versichertenkarte.
Wer sich testen lassen möchte, sollte sich auf längere Wartezeiten einstellen, sich mit Sonnenschutz und Getränken ausstatten und gegebenenfalls einen Klappstuhl mitnehmen.An folgenden Standorten kann man sich testen lassen:

Berufskolleg Halle täglich 8 bis 22 Uhr

Ems-Berufskolleg  in Rheda-Wiedenbrück täglich 8 bis 20 Uhr

Gesamtschule Verl täglich 8 bis 22 Uhr

Reinhard-Mohn-Berufskolleg Gütersloh täglich 8 bis 22 Uhr

Flughafen Gütersloh
(Hallendurchfahrt, man muss mit dem Auto kommen und kann sitzen bleiben, während man auf den Abstrich wartet) täglich 8 bis 22 Uhr

Carl-Miele-Berufskolleg Gütersloh, tägl. 8 bis 20 Uhr