„Meine Tochter wollte nicht mehr zur Schule gehen“

Eine Mutter spricht über Mobbing ihrer Tochter: „Ich fühlte mich an keiner Stelle ernst genommen“

Einsam, allein, ausgeschlossen - so fühlen sich Kinder oft, wenn sie zum Opfer von Mobbingattacken ihrer Mitschüler werden.

Rietberg (mad). Als sie davon erfuhr, war Sabine Jansen (Name von der Redaktion geändert) zunächst sehr traurig. Ihre kleine Tochter, die eine Rietberger Grundschule besucht, erzählte ihr, dass sie an der Schule schon seit langer Zeit massiv geärgert wird. Sabine Jansen nahm Kontakt zur Schule auf, doch sie fühlte sich nicht ernst genommen.  Über ein Jahr dauerte das Mobbing an, bis die junge Mutter die Eigeninitiative ergriff.

„Es bricht einem das Herz, wenn die eigene Tochter ständig weinend von der Schule kommt und sogar in den Pausen nach Hause läuft“, berichtet Sabine Jansen. Angefangen hatte es mit kleinen Hänseleien, hin und wieder wurde auch geschubst. „In Gesprächen mit den Lehrern wurde mir gesagt, dass dies normale kleine Streitereien unter Kindern seien. Ich gab mich damit dann zufrieden und dachte, dass dann alles wohl doch nicht so dramatisch sei“, erinnert sie sich an den Sommer

Meine Tochter kam fast täglich weinend nach Hause

vergangenen Jahres, als sie das Thema Mobbing das erste Mal offen an der Schule ansprach. Sie unterhielt sich mit ihrer Tochter Marie (Name ebenfalls geändert), um herauszufinden, was genau los ist. Im Verlauf kam ihre Tochter immer häufiger einfach mitten in der Schulzeit nach Hause. „Ich wusste mir nicht mehr zu helfen und habe dann Anfang diesen Jahres das Gespräch mit der Schulleiterin gesucht“, sagt Sabine Jansen. Um Hänseleien zu umgehen sei lediglich vorgeschlagen worden, Marie solle sich während der Pause einfach bei der Pausenaufsicht aufhalten. „Das soll die Lösung sein?“, fragt Sabine Jansen und kann nicht verstehen, warum von Seiten der Schule nicht einmal nach den Namen derjenigen Kinder gefragt worden ist, die ihre Tochter offenkundig auf dem Kieker hatten, um diese in die Schranken zu weisen. Die Situation verschlimmerte sich für Marie immer weiter. Das Mädchen wollte nicht einmal mehr in die Schule gehen, klagte über Bauchschmerzen, die Leistungen in der Schule ließen nach. Die Mobbingattacken gipfelten dann eines Tages mit einer Ohrfeige und einem Schlag mit einem Tischtennisschläger auf den Kopf. Erneut sprach Sabine Jansen bei der Schulleitung vor, vereinbarte auch ein

An der Schule fühlte ich mich nicht ernst genommen

 Gespräch mit der Schulsozialarbeiterin und setzte auch das  Schulamt Gütersloh über die Vorfälle in Kenntnis.  „Doch auch da fühlte ich mich absolut nicht ernst genommen. Ich wollte meiner Tochter helfen, aber mir waren die Hände gebunden. Niemand wollte ernsthaft etwas unternehmen, um diese unhaltbaren Zustände zu beenden. Vom Schulamt wurde ich gefragt, ob nicht ein Schulwechsel in Frage käme“, sagt sie.  Kurz vor den Sommerferien traute die junge Mutter dann ihren Augen nicht: „Als ich die Tasche meiner Tochter ausräumte, fand ich darin ein Messer“, berichtet sie, schockiert bei dem Gedanken daran, was alles hätte passieren können. „Ich wollte mich damit verteidigen“, lautet die beängstigende Antwort des kleinen Mädchens. „Muss es erst soweit kommen?“, fragt die Mutter und fasste allen Mut zusammen: „Entgegen des Rates der Schule weihte ich die Eltern der Kinder aus Maries Klasse über die Geschehnisse ein“, sagt sie. In einer WhatsApp-Gruppe sendete sie einen langen Text, in dem sie die Vorfälle der letzten Monate schilderte. Die betroffenen Reaktionen kamen prompt, ebenso wie Hilfs- und Unterstützungsangebote. „Die Eltern müssen sofort mit ihren Kindern gesprochen haben, denn sofort am nächsten Tag kamen viele Klassenkameraden

Alle Bemühungen halfen meiner Tochter nicht

zu Marie und versprachen, zu ihr zu halten“, sagt Sabine Jansen erleichtert. Die Direktorin hingegen verweist auf das pädagogische Konzept der Schule, welches auch auf der Homepage der Bildungsstätte nachzulesen sei. Konkret nachgefragt sagte die Schulleitung: „Natürlich nehmen wir das Thema Mobbing ernst. Wir stehen in Kontakt mit der betroffenen Familie. Wenn solche Fälle vorkommen, arbeiten wir eng mit unserer Schulsozialarbeiterin zusammen, haben ein Streitschlichterprogramm und auch unsere Lehrer sind für die Kinder und auch für die Eltern immer ansprechbar. Da schöpfen wir aus der Palette aller Möglichkeiten, um Mobbing an unserer Schule entgegen zu wirken“, so die Direktorin. Seit Beginn des neuen Schuljahres hat die Schülergruppe nun einen neuen Klassenlehrer. Dieser wusste zunächst noch gar nichts vom Mobbing in der Klasse. „Da frage ich mich doch, was da bisher im Kollegium besprochen worden ist, um meiner Tochter zu helfen. Doch nachdem er davon erfahren hatte, hat er sich sofort darum gekümmert. Ich bin

Erst als ich aktiv wurde, trat eine Verbesserung ein

unendlich dankbar, dass nun endlich was passiert und meine Tochter wieder zur Schule gehen mag“, sagt Sabine Jansen und möchte aufgrund ihrer Erfahrungen anderen Eltern Mut machen, das Thema Mobbing unbedingt offen anzusprechen und rät: „Manchmal muss man selbst den Mund aufmachen. Denn wer schweigt, schützt den oder die Täter.“