Ein bewegtes, kämpferisches Leben in der Lokalpolitik

Gerd Muhle tritt vom Vorsitz des SPD-Ortsvereins Rietberg zurück – Jüngere müssen ran

Rietberg (dg). Eigentlich war seine Nachfolge schon früher vereinbart, doch der junge hoffnungsvolle Nachwuchs-Kandidat Jean-Michel Diaz erhielt ein verlockendes berufliches Angebot in einer Großstadt. Also macht Muhle weiter wie schon so oft in seiner 43-jährigen Mitgliedschaft im Ortsverein der Rietberger SPD. 

Auf die Frage „Warum SPD?“ antwortet Gerd Muhle: „Aus Überzeugung, ja natürlich. Bin ein Altachtundsechziger, der aktiv sein wollte bei der Veränderung der Gesellschaft. Das soziale Herz schlug höher bei dem Gedanken, Politik gerechter zu gestalten. Willy Brandt hat mich begeistert, Herbert Wehner mich überzeugt mit seiner scharfen Rhetorik und Hartnäckigkeit, politische Ziele zu verfolgen“. 1972, mit 24 Jahren, trat Muhle in Damme, Süd-Oldenburg in die SPD ein. Immer noch die Äußerung von Günter Grass im Ohr, der 1968 bei einem Auftritt in der Eierhalle in Cloppenburg den Satz prägte: Diese Region ist politisch so schwarz, da werfen selbst die Kohlensäcke im Keller noch Schatten. Sein Berufs- und Lebensweg führte Gerd Muhle 1976 nach Rietberg. Politisch aktiv wurde er 1978 gemeinsam mit Hans Woste als Mitglied im SPD-Ortsverein Rietberg. Dort überzeugte sein Einsatz für lokale SPD-Politik, gepaart mit erfolgreichem Teamgeist. Belohnt mit einer Kandidatur für den Stadtrat bei der Kommunalwahl 1979. Als Sieger in seinem Wahlkreis zog Muhle als Neuling ins Parlament der Emskommune. „Direkt musste ich an den bezeichnenden Satz von Günter Grass denken“, schildert Gerd Muhle im Rückblick auf seine lokalpolitische Karriere. Es war nicht immer leicht für die SPD-Fraktion gegen eine absolute Mehrheit der CDU im Rat, Ideen und Ziele durchzusetzen. 42 Jahre Ratsarbeit haben ihn gestählt, sagt Gerd Muhle von sich. Galt er doch am Anfang bei manchen CDUlern als roter Stachel im üppigen Regieren der Mehrheitspartei. Hitzige Rededuelle waren oft das Salz in der Suppe abendlicher Parlamentsarbeit. Franz Funke (CDU) aus Westerwiehe habe er bei einer Debatte um Wirtschaftswege „Asphalt-Fetischist“ zugerufen, der habe spontan mit „Sie Piepmatz-
Idiologe“ gekontert, das erfreut Muhle heute noch. „Wir haben mit der SPD für unsere Überzeugung bei politischen Entscheidungen hartnäckig und mit Ausdauer gekämpft. So haben wir mit Argumenten auch  Stimmen aus der Mehrheitspartei gewinnen können und Entscheidungen mit Nachhaltigkeit für Rietberg herbeigeführt. Gutachten haben verhindert, dass in Westerwiehe eine Tonkuhle als dritte Mülldeponie aufgefüllt wurde“, so Muhle. Die SPD kämpft für Klima- und Denkmalschutz und ist stolz, dass in den 80er Jahren eine Stadtkernsanierung nicht realisiert wurde. „Dabei hätten wir unsere Altstadt mit ihren Fachwerkhäusern verloren“, argumentiert der Parteivorsitzende heute noch. Ein gravierender Flurbereinigungs-Prozess gemeinsam mit Naturschützern wurde abgewendet und so der Erhalt der westfälischen Parklandschaft gesichert. Ohne sie hätte Rietberg keine Landesgartenschau erhalten. Der Kampf um den Emsweg, der trotz höchst­richterlicher Entscheidung von den Verwaltungen nicht weiter verfolgt wurde. Was Muhle am Ende noch wurmt, ist die fehlende Baumschutzsatzung. Ein langes politisches Engagement legt Gerd Muhle in andere Hände. „Gerd ist hochkompetent, immer ansprechbar, teamfähig, sein Leben ist Politik. Ich habe einiges von ihm gelernt“, sagt Christiane Schneiders, seit 1994 SPD-Ratsfrau in Rietberg.