Der Haushalt der Stadt Rietberg lieferte Gesprächsstoff

Fraktionsvorsitzende nehmen zur Finanzplanung der Verwaltung Stellung – nicht nur mit Lob

Rietberg (mad). Die Einbringung des Haushaltes hat für Diskussionsstoff gesorgt. Die Fraktionsvorsitzenden bekamen – wie immer – die Möglichkeit, sich vor der Abstimmung zum Inhalt des Haushaltes zu äußern. Corona-bedingt hatte jeder dieses Mal nur fünf Minuten Redezeit. Knapp, aber machbar, wie sich zeigte.

 

Marco Talarico (CDU): Der Teufel steckt im Detail und die größte Herausforderung bleibt die Verständlichkeit dieses Plans. Doch was ist dieser Haushaltsplan? Wunschzettel oder Steuerungsinstrument? Wir von der CDU begreifen ihn als Steuerungsinstrument und entdecken unschöne Wahrheiten, Warnungen und Mahnungen. Auch Kämmerer Andreas Göke spricht von gewaltigen finanziellen Herausforderungen. Dieser Haushaltsplanentwurf bereitet uns Kopfzerbrechen. Das liegt nicht primär am geplanten Defizit von 2,8 Millionen Euro, sondern an den Unwuchten und Schieflagen. Die Erträge decken die Aufwandseite nicht. Die Stadt Rietberg lebt schlicht und ergreifend über ihre Verhältnisse. Zur ganzen Wahrheit gehört aber auch, dass wir alle im Rat vertretenen Parteien unseren Anteil an der Aufwandseite haben. Wollen wir das Spiel trotz Warnsignal munter fortsetzen, oder beginnen, uns ab diesem Jahr zu disziplinieren? Wir von der CDU wären bereit, Maßnahmen niedrigerer Priorität zu verschieben: Johanneskapelle, Campingplatz und kosmetische Schönheitsoperationen der Rathausstraße haben für uns nicht die gleiche Dringlichkeit wie Kita- und Grundschulerweiterungen. Der Haushaltsplanentwurf mahnt uns, eine Kehrtwende einzuleiten. 

Josef Beermann (FWG): Die Corona-Pandmie ist in aller Munde. In dieser Zeit über Zahlen, Fakten und Pläne eines Haushaltes zu beraten, fällt wohl allen schwer  Es fällt sofort ins Auge, dass dieser Haushalt für das Jahr 2021 sowie für die Folgejahre nicht mehr ausgeglichen ist. Einen Verlust von 6 Millionen Euro in diesem Jahr kann man mit Unterstützung der Regierung mindern: Man bucht die pandemiebedingten Mindereinnahmen als Forderung ein und die Ausgaben als Verbindlichkeit. Dieser Trick bewirkt eine Verminderung des Verlustes auf etwa 2,5 Millionen Euro. Doch diese Forderungen muss die Stadt spätestens im Jahr 2025 ausbuchen oder auf die Dauer von 50 Jahren abschreiben. Positiv ist in diesem Zusammenhang, dass sich der prognostizierte Verlust in Höhe von 380.000 Euro für das Jahr 2020 als Überschuss in Höhe von etwa zwei bis drei Millionen Euro entwickelt. Des Weiteren ist die Kernaussage: Wir erhöhen weder die Gewerbesteuer noch die Grundsteuern A und B und bleiben seit 2016 den gleichen Ansätzen treu. 

Gerd Muhle (SPD): Priorität hat in diesem Jahr die Gesundheitserhaltung aller Bürger. Corona wird uns mit all seinen Auswirkungen im Jahr 2021 weiterhin begleiten. Aber man kann der Pandemie auch etwas positives abgewinnen, wie die Digitalisierung in Verwaltung und Schulen und auch die prekären Arbeits- und Wohnverhältnisse von Werkvertragsarbeitern wurden in den Fokus gestellt. Allerdings sind die menschlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie und ihre Bekämpfung bereits heute dramatisch und können sich im Laufe der nächsten Monate weiter zuspitzen. Zudem ist die finanzielle Situation der Stadt Rietberg problematisch und sehr undurchsichtig. Zwar werden die Gewerbesteuern nicht angehoben, aber die Stadt muss auf Dauer ihre Einnahmesituation verbessern. Allerdings wäre es falsch, jetzt an Investitionen zu sparen. Es gilt vielmehr, klug und nachhaltig zu investieren. Wir dürfen die Pläne für die Neubauten der Sportheime Druffel und Neuenkirchen nicht sang- und klanglos verschwinden lassen, den Erweiterungsbau der Emsschule müssen wir unbedingt vorziehen und wir dürfen die Johanneskapelle nicht verfallen lassen. Zudem ist eine liebenswerte Stadt ohne Kultur nicht denkbar. Daher möchte die SPD, dass die geplante Sanierung der Cultura mit der ausgewiesenen Investitionssumme realisiert wird. Mit Blick auf den Klimaschutz beantragt die SPD das Gesamtbudget für den Klimaschutz 2021 und 2022 um 60.000 auf 120.000 Euro pro Jahr zu erhöhen. 

Hans Dieter Vormittag (Grüne): Wer in guten Zeiten vorsorgt , profitiert davon in schlechten Zeiten. Das kommt uns nun zugute. Nicht reden, sondern handeln, unter diesem Motto möchten wir folgende Projekte anregen:  Schulen, Kitas und Senioreneinrichtungen sollten mit sogenannten CO2-Ampeln ausgerüstet werden. Wir vermuten hier eine notwendige Investition von etwa 50.000 Euro. Eine Zusammenarbeit mit dem Projekt von Herrn Wedekind von der Gesamtschule würde sich sicher kostenreduzierend auswirken. Das Förderprogramm „Gezielt Handeln für den Klimaschutz“ unterstützen wir in vollem Umfang. Auch ein Recyclingkaufhaus für Rietberg befürworten wir. Nun gilt es, die nächsten Schritte für die Umsetzung zu gehen. Wir könnten uns eine Vereinsgründung vorstellen, die Räumlichkeiten der Gaststätte Blomberg könnten vorübergehend genutzt werden. In Sachen Rathausstraße: Hier gilt schon lange Tempo 20. Die Geschwindigkeitsbegrenzung sollte sichtbarer gemacht werden, durch Hinweisschilder an jeder Einmündung zur Rathausstraße. Der Haushaltssatzung stimmen wir zu.

Manfred Niewiarra (FDP): Der Haushalt 2021 hat wie die letztjährigen zuvor erhebliche strukturelle Schwächen und verstärkte Ungleichgewichte, die einer Zustimmung entgegenstehen. Die Schieflage hat sich dramatisch fortgesetzt. Dort steht ein Investitionsvolumen bis 2024 in Höhe von 135 Millionen Euro, die Kredite erhöhen sich von 9,8 Millionen Euro in 2019 auf 83 Millionen Euro in 2024. Der Eigenkapitalverzehr im Zeitraum 2020 bis 2024 liegt bei fast 20 Millionen Euro, der Verbrauch der Ausgleichsrücklage geht von 14,4 Millionen Euro (2020) auf Null in 2024. Außerdem werden die Haushaltsdefizite bis 2024, bereinigt um den COVID-19-Effekt, auf 22,7 Millionen Euro steigen und es droht die Gefahr der Haushaltssicherung im Jahr 2025. Konsolidierungsmaßnahmen sind notwendig, wie eine deutliche Reduzierung der Investitionsausgaben im Planungszeitraum 2021 bis 2024, sowie eine Unterscheidung in Muss- und Kann-Investitionen. Eine echte Priorisierung ist dringend nötig: Wenn die Schulen auf Platz Eins stehen, muss sich alles andere dahinter einordnen. Es braucht mehr Haushaltsdisziplin. Die Kürzungen im Investitionsbudget können durch Einsparungen beim Investment Rathausstraße, Stadtmarketing, Gartenschaupark, Schulneubauten sowie beim Dorfplatz Mastholte und dem angedachten Campingplatz erreicht werden. Ohne diese Kürzungen als Signal zur ernsthaften Konsolidierung kann die FDP diesem Haushalt nicht zustimmen.