Das Foto zeigt von links Bürgermeister Andreas Sunder, Referent Dr. Udo Engelhard, Sabrina Gammelin Fa. Ansvar, und Klimaschutzmanagerin Wibke Kordtomeikel. (Foto: Stadt Rietberg)
Rietberg. Mit einem eindrucksvollen und zugleich ermutigenden Vortrag von Dr. Udo Engelhardt ist die Klimawoche Rietberg im Ratssaal des alten Progymnasiums eröffnet worden. Der renommierte Meeresbiologe und Klimafolgenforscher sprach unter dem Titel „Eine Welt, ein Klima und eine (letzte) Chance!“ dank der finanziellen Unterstützung vom Klimatisch Gütersloh. Zuvor begrüßten Bürgermeister Andreas Sunder und Klimaschutz-managerin Wibke Kordtomeikel die Gäste und eröffneten die Klimawoche offiziell.
Dr. Engelhardt, der unter anderem die dramatischen Folgen der Korallenbleiche am Great Barrier Reef in Australien und auf den Seychellen untersucht hat, bezeichnete diese Erfahrungen als Wendepunkt in seiner wissenschaftlichen Laufbahn. Seither widmet er sich intensiv der Erforschung der Erderwärmung und ihrer weitreichenden Konsequenzen.
„Wir befinden uns im Jahrzehnt der Entscheidung“, mahnte der Wissenschaftler zu Beginn seines Vortrags. In klaren und verständlichen Worten legte er die wissenschaftlichen Fakten zum Klimawandel dar. Er veranschaulichte die aktuellen Entwicklungen des globalen Klimas und erklärte die komplexen Wechselwirkungen von Eisschmelze, Waldbränden, Dürren und Überschwemmungen.
Zwei Drittel aller klimaschädlichen Treibhausgase, so Engelhardt, seien auf die Verbrennung fossiler Energieträger wie Kohle, Öl und Gas zurückzuführen. Besonders eindringlich warnte er vor dem Überschreiten sogenannter Kipppunkte – kritischer Schwellen im Klimasystem, deren Erreichen unumkehrbare Kettenreaktionen auslösen könnte.
Was passiert, wenn wir weitermachen wie bisher? Eine Frage, die Dr. Udo Engelhardt eindringlich stellte – und mit überraschenden Erkenntnissen beantwortete. Viele Zuhörer erfuhren erstmals, dass die Erde sich eigentlich auf eine neue Eiszeit zubewegt hätte. Doch diese wird nicht mehr eintreten – das steht bereits fest. Stattdessen steuern wir auf eine Erderwärmung von durchschnittlich drei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu.
Ein solches Klima gab es tatsächlich schon einmal – allerdings vor etwa viereinhalb Millionen Jahren. Damals lebten auf der Erde nur kleine Säugetiere, vom Menschen war noch keine Spur. Die Bedingungen jener Zeit verdeutlichen, wie radikal sich unser Lebensraum verändern würde, wenn die globale Erwärmung ungebremst fortschreitet.
Im zweiten Teil seines Vortrags richtete Dr. Engelhardt den Blick nach vorn und stellte konkrete Lösungsansätze vor. Wenn rund zwei Drittel der Treibhausgasemissionen aus der Verbrennung fossiler Energieträger stammen, müsse genau hier angesetzt werden. Die Technologien für den Wandel seien längst vorhanden: von Windkraft- und Solaranlagen über Wärmepumpen im privaten Bereich bis hin zu großtechnischen Lösungen für Industrie und Verkehr mit elektrischen Antrieben.
Darüber hinaus forderte Engelhardt neue Allianzen und Netzwerke. Auch die Versicherungs- und Finanzwirtschaft schlagen längst Alarm – ihre Studien belegen die dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen der Klimakrise. Der Appell des Wissenschaftlers war deutlich: „Wir brauchen Gemeinschaft, nicht Alleinschaft. Wir brauchen Gestalter, nicht Verwalter. Wir brauchen Visionen, nicht die Illusion eines ‚Weiter so‘.“Sein Fazit: Die Realität anerkennen, Verantwortung übernehmen und gemeinsam vor Ort handeln – jetzt.

Feuchtwiesen-Tour durch das Vogelschutzgebiet in Rietberg
Das Vogelschutzgebiet „Rietberger Emsniederung mit Steinhorster Becken“ liegt am Rand der Stadt Rietberg und ist eines der artenreichsten Feuchtwiesen-Schutzgebiete im Kreis Gütersloh. Feuchtwiesen sind ein artenreicher Lebensraum mit vielen gefährdeten Pflanzen- und Tierarten. Heute gibt es nur noch kleine Reste der früher weit verbreiteten Feuchtwiesenlandschaften. Vogelarten wie der Große Brachvogel, die Uferschnepfe und der seltene Wiesenpieper haben hier ihre letzten Rückzugsorte, aber die Zahl der Brutpaare nimmt überall dramatisch ab.
Der Klimawandel mit geringen Niederschlagsmengen im Frühjahr und Hitzeperioden im Sommer stellt eine ernste Bedrohung für die auf feuchte Böden angewiesenen Arten der Feuchtwiesen dar. Gibt es Möglichkeiten, den klimabedingten Problemen vor Ort etwas entgegenzusetzen? Im Rahmen der Klimawoche der Stadt Rietberg wurde dieser Frage bei einer Wanderung mit Frank Püchel-Wieling von der Biologischen Station Gütersloh/Bielefeld und 30 Teilnehmern durch die Rietberger Emsniederung nachgegangen.
Im Jahr 2020 wurde ein Projekt zur Rettung der bedrohten Wiesenvögel gestartet, das LIFE-Projekt „Wiesenvögel NRW“. Die EU und das Land NRW unterstützen dieses Projekt, das nicht nur in der Rietberger Emsniederung, sondern in sieben weiteren Vogelschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen durchgeführt wird. Dabei stehen Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensräume mit an erster Stelle. In der Emsniederung wurden flache Senken angelegt, die im Frühjahr und zur Brutzeit für die Wiesenvögel als Nahrungsflächen extrem wichtig sind. In den Senken steht das Wasser über eine längere Zeit, was auch für Insekten wie die Libellen eine große Bedeutung hat. Auch die Abflachung von Grabenrändern wurde durchgeführt mit dem Ziel, das Wasser dort länger zu halten.
Als effektiv für den Schutz der Feuchtwiesen und der Wiesenvögel haben sich Maßnahmen der Wiedervernässung erwiesen. Dabei wird durch regulierbare Stauwehre an den Gräben oder durch aktive Bewässerung mit Solarpumpen die Bodenfeuchtigkeit erhört. In anderen Vogelschutzgebieten wurden auf diese Weise bereits große Erfolge erzielt. Ein Erhalt der Feuchtwiesenschutzgebiete ist gleichzeitig eine Maßnahme zum Klimaschutz.
Im Gegensatz zu den Ackerflächen wird der Boden in den Grünlandgebieten nicht aufgebrochen und umgepflügt, wobei vor allem Kohlendioxid freigesetzt wird. Eine dauerhafte Grasnarbe auf den Wiesenflächen hilft zudem bei der Speicherung von Feuchtigkeit und Nährstoffen. Feuchtwiesen sind durch die Nutzung der Flächen als Wiesen oder Viehweiden entstanden und Teil unserer Kulturlandschaft. Auch heute werden die artenreichen Feuchtwiesen in den Schutzgebieten unter naturschutzfachlichen Vorgaben durch landwirtschaftliche Betriebe aus der Region bewirtschaftet und erhalten. Dies stellt einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt und zum Klimaschutz dar.