Kommentar: Wer meckert, sollte erst auf seinen Teller schauen

Der Fall Tönnies führt der Gesellschaft gnadenlos die lange geduldeten Missstände vor Augen

Es ist so herrlich einfach, vom heimischen Sofa aus auf die Fehler anderer zu zeigen. Unsoziale Werkverträge und menschenunwürdige Unterbringungen hier, massenhaft zusammengepferchte und am Fließband abgeschlachtete Tiere dort. 

Doch die wenigstens verknüpfen diese Zustände mit ihrem eigenen Konsumverhalten. Da hat man sich kürzlich erst den neuen Supergrill für die Terrasse gegönnt, dann liegt auch schon das Billigwürstchen auf dem stählernen Rost und bräunt über der Markenkohle. Doch wo kommt es her? Nur die wenigsten machen sich bewusst, dass für das Stück Fleisch auf dem Teller ein Tier sein Leben lassen musste. Jeder hat sie schon einmal gesehen, eine der vielen TV-Reportagen, die das schier unerträgliche und unendliche Leid der Masttiere in den Ställen dieses Landes dokumentieren und schonungslos über unsere Überflussgesellschaft berichten. „Was habe ich damit zu tun?“, fragt sich derjenige, der eben auf dem Heimweg noch schnell beim Drive-in einen doppelten Cheeseburger bestellt hat. 

Genau das nämlich. Wenn jeder einmal seinen Fleischkonsum hinterfragen und bewusster auf Qualität achten würde – merkwürdig, dass es kaum einer macht, wo doch so viele immer behaupten, dass sie selbstverständlich auch mehr für gutes Fleisch zahlen würden – dann würden die Produzenten von Billigfleisch auf ihrer minderwertigen Ware sitzen bleiben. Der Verbraucher hat keine Macht? Oh doch, er muss sie nur endlich mal nutzen! Erst dann ändern sich die Umstände. Aber es ist ja so herrlich bequem, einfach so weiter zu machen wie bisher und die Schuld bei anderen zu suchen. Addicks